Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht


Auf Einladung der politischen Gemeinde, der Kirchen- und der Freien evangelischen Gemeinde sowie des Heimat- und Geschichtsvereins fand am 09. November 2020 vor dem Mahnmal eine Gedenkveranstaltung aus Anlass der Reichspogromnacht statt.

Aus Gründen der Prävention wartete die Gemeinde mit hohen Hygiene- und Sicherheitsstandards auf. Die Feuerwehr sperrte den Veranstaltungsort ab.

Bürgermeister Michael Köhler erinnerte an den 09. November 1938. An dem Tag brannten in Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert, Hunderte von Menschen jüdischen Glaubens wurden gedemütigt und misshandelt. Er verwies auch auf die Nötigungen, die die Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Bad Zwesten erdulden mussten. Er forderte auf, dass man aus der Geschichte lernen müsse. Köhler forderte: „Wir müssen beweisen, dass wir wachsamer geworden sind. Wir müssen handeln, wo die Würde des Anderen verletzt wird. Wir müssen Gegensteuern, wenn die Sprache des Hasses vernehmbar wird und sich einzelne Gruppen radikalisieren.“

In diesem Zusammenhang erwähnte er die drei letzten Attentate radikaler islamistischer Terroristen in Frankreich und Österreich.

Er zitierte den Islam Kritiker Hamed Abdel-Samad: „Wie konnte dieser Kontinent zu einem Ort werden, wo ich als Islam-Kritiker in Gefahr lebe, wo Lehrer auf offener Straße enthauptet werden, während Salafisten frei predigen und islamistische Gefährder frei herumlaufen?“

Köhler verdeutlichte, dass man frühzeitig gegen Radikalisierung vorgehen müsse. Eine gute Integrationsarbeit, wie sie in Bad Zwesten geleistet werde, sei in diesem Zusammenhang wichtig. Köhler fordere die Bürgerinnen und Bürger auf, sich aktiv im Rahmen der Demokratie zu beteiligen, Verantwortung zu übernehmen, sodass die Feinde der Demokratie keine Chance haben.

Die stellvertretende Vorsitzende der Gemeindevertretung Bettina Riemenschneider-Wickert betonte: „Wir sind heute hier zusammengekommen, um ein Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. Kein anderer Tag wie der 09. November steht so für die Umbrüche der Deutschen Geschichte.“ Sie verwies auf das Ende des Kaiserreiches, den Fall der Mauer, aber auch die vertane Chance den Zweiten Weltkrieg aufzuhalten, weil das auf Adolf Hitler mit einer Bombe vorgesehene Attentat am 9. November 1939 fehlschlug. Die stellvertretende Parlamentschefin zitierte den Chefankläger im Nürnberger Prozess Benjamin Ferencz, der drei wichtige Ratschläge jungen Leuten mit auf den Weg gibt: 1. Niemals aufgeben, 2. Niemals aufgeben und 3. Niemals aufgeben.

Bettina Riemenschneider-Wickert schloss ihre Rede mit den Worten: „Meine Hoffnung ist, dass wir alle aus unserer Geschichte gelernt haben und unsere Demokratie schützen, damit es nie wieder zu solchen Ereignissen kommen kann.“

Sie zündet im Anschluss eine Kerze gegen das Vergessen und die Wahrung des Friedens an. Im Anschluss erfolgte die formelle Kranzniederlegung.

Die neue Pfarrerin, Eva-Maria Molnár, zitierte die Worte aus dem Buch „Deuteronomium“ – das Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens:

Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.

Molnár weiter: Heute gedenken wir der Leiden der Jüdinnen und Juden in unserer Stadt und unserer Region und erinnern an tausendfache Vertreibung und Ermordung. Es ist Ausdruck der kollektiven Schamwürdigkeit, wie von Weizäcker es nannte.

Wir übernehmen Verantwortung gegen das Vergessen, gegen das Verdrängen, gegen das Kleinreden der Verbrechen des Holocaust. Wir gedenken an die Momente, wo die Liebe zu Gott und dem Nächsten versagt hat.

Es schloss sich ein stilles Gedenken an. Pfarrerin Molnár sprach den ältesten Segensspruch der Tora, den aaronitischen Segen: „Der Herr segne und behüte Dich, der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei dir gnädig, der Herr erhebe sein Angesicht und gebe Dir Frieden.“ 

   

Bürgermeister Michael Köhler, die stellvertretende Vorsitzende der Gemeindevertretung Bettina Riemenschneider-Wickert und Pfarrerin Eva-Maria Molnár legen einen Kranz zum Gedenken der Opfer zur Reichpogromnacht nieder.