Gedenken anlässlich der Reichspogromnacht


Der Gemeindevertretervorsitzende Dr. Stephan Lanzke, Bürgermeister Michael Köhler und Pfarrerin Judith Helms gestalteten gemeinsam die Gedenkveranstaltung in der Gemeinde Bad Zwesten.

Der Vorsitzende der Gemeindevertretung und der Bürgermeister sprachen vor der Gedenktafel, die an die alte inzwischen abgerissene Synagoge erinnert. Anschließend zogen die Teilnehmer in einer Prozession zum Judenfriedhof in der Bergstraße.

Dort hielten die Versammelten eine Andacht. Pfarrerin Helms und Karin Biermann (vom Kirchenvorstand) trugen eine Psalm-Collage aus Psalm 74 und Psalm 130 vor, die von gemeinsam gesungenen Bittrufen umrahmt wurde.

In den Fürbitten wurde für Heilung der überlebenden jüdischen Menschen weltweit und Trost für ihre Kinder und Urenkel gebeten, aber auch um die Veränderung der Verblendeten in unserem Land und die Stärkung der Menschen, die sich für Toleranz einsetzen und ihre Stimme gegen die Erniedrigung Andersdenkender und -glaubender erheben.

Die Andacht schloss mit dem aaronitischen Segen (aus der jüdischen Bibel, unserem sog. „Alten“ Testament, dem gemeinsamen Erbe von Juden und Christen).

Dr. Lanzke betonte in seiner Ansprache: „Wir wissen auch, dass in Bad Zwesten dieser Hass vorhanden war und diese Grausamkeiten stattfanden. Auch in Bad Zwesten sind Menschen von braunen Schlägern und gewissenlosen Handlangern eines verbrecherischen Systems aus ihrer Wohnung geholt und geschlagen worden. Es gab aber auch Andere: Feige Nachbarn, die sich abwandten, Freunde, die klammheimlich applaudierende Mitläufer waren. Nur wenige haben geholfen!

Dr. Lanzke hinterfragte, warum die Erinnerung so wichtig ist und wo die besondere Bedeutung für die Bürger läge. Das Wissen darüber solle dazu beitragen, dass so etwas in der Zukunft nicht mehr passieren werde. Vor dem unvorstellbaren Grauen stumpfen die Menschen oft ab. Daher bräuchte man Symbole und Plätze, die verkörpern, an was man sich erinnern sollte. Es gelte einen Bogen zum Hier und Jetzt zu schlagen und bewusst zu machen, wo wir heute stehen.

Herr Dr. Lanzke forderte die Teilnehmer auf, dass jeder ein Multiplikator der Botschaft sein sollte, dass nie wieder Nationalsozialismus, nie wieder menschenverachtende Politik und nie wieder Krieg herrschen sollte. Das Grauen von damals dürfe nicht verdrängt werden, es sollte dazu dienen die heutigen Herausforderungen gut zu meistern.

Bürgermeister Köhler zeigte anhand einer Umfrage auf, dass über ein Viertel der Deutschen inzwischen antisemitische Gedanken hegen. Daher sei es wichtig auch in Bad Zwesten Position zu beziehen und zu verhindern, das Intoleranz und Hass zurückkehren. Hoffnung machen ihm Jugendliche, die sich immer stärker und intensiver mit der nationalsozialistischen Zeit kritisch auseinandersetzen. „Die Jugendlichen fragen sich, was hätte ich damals getan? Hätte ich vielleicht auch meine jüdischen Nachbarn verraten? Die Antworten können beängstigend sein“, so Bürgermeister Köhler. „Man gehe in einen Abgrund und wisse nicht, was dieser Abgrund mit einem macht“. Die Stolpersteine mit den Namen unserer ehemaligen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind ein wichtiges Mahnmal. Der Bürgermeister Köhler lobte die Aktiven, die die Erinnerung wachhalten und nannte beispielhaft Reinhold Theis, Heinrich Haupt und Jürgen Schmidt. Nur über persönliche Schicksale seien die abstrakten Daten, wie die der Millionen ermordeten Juden greifbar. Köhler forderte auf, dass man nicht vor der Vergangenheit davonlaufen darf oder in der Gegenwart wegschauen dürfe.